Ich habe es getan! Mir einen lang gehegten Traum erfüllt. „Höhepunkt“ eines bisher erfüllten Lebens in des Wortes doppelter Bedeutung. Ich bin von Bangkok aus, meiner langjährigen Home-Base in Asien, nach Kathmandu/Nepal geflogen und habe dort mein 151. Land besucht. Huppi happy! Dabei wollte ich gezielt hoch hinaus. Mit dem Helikopter ins Himalaya-Massiv, Richtung Mount Everest, dem mit 8848 Metern höchsten Punkt auf unserem Planeten. Faszination und Horror zugleich angesichts von fast 300 Toten und unzähligen Verletzten, die es beim Versuch, das Monster zu Fuß zu bezwingen, bisher gegeben hat.
Nepal, nach Tibet das durchschnittlich höchst gelegene Land der Welt, ist gemeinsam mit dem angrenzenden China Heimat des höchsten Berges, des Mount Everest (8848 Meter), sowie von sieben weiteren der zehn höchsten Berge unserer Erde. Unglaublich, was sich dem Auge des Betrachters im Himalaya-Massiv offenbart.
Und ja, mein Plan hat funktioniert, auch wenn es am Flugtag selber zunächst eine einzige Zitterpartie war. Das Wetter! Mein Gott, das Wetter. Wohl nirgendwo ändert sich das Wetter schneller als in den „High Mountains“. Was gegen sechs in der Früh losgehen sollte, schien sich zwei Stunden später gegen acht gänzlich erledigt zu haben. Obwohl nervenstark, war ich dem Verzweifeln nahe. Es war meine letzte, meine einzige Chance. Meine Verweilzeit in Nepal war limitiert. Es war zwar zunächst kein Trost, aber ich war nicht alleine. In der Departure-Hall des nicht gerade Vertrauen erweckenden Inland-Terminals war „delayed“ das am häufigsten aus den Lautsprechern röhrende Wort.
Alle Flüge auf dem Kathmandu Domestic Airport wurden am 3.2. gegen 8 Uhr wegen schlechter Wetterlage ausgesetzt. Alle! Also auch mein Heli-Flug zum Mount Everest mit Zwischenstation und Heli-Wechsel in Lukla, dem Airport-Gate zum Himalaya-Massiv. Zu windig, zu dunstig, zu neblig, zu gefährlich.Gegen 08.30 Uhr dann das erste „Licht im Tunnel“. Der Tenzing-Hillary Airport Lukla auf 2.860 Meter Höhe „hebt“ den Daumen, das Hotel Everest View auf 3.880 Meter sieht die Sonne. Und dann steht auf einmal Capt. Niranjan Kant Silwal vor mir, Rescue-Pilot bei Air Dynastie, über die meine Buchung lief, und seit 20 Jahren mit dem Helikopter im Himalaya unterwegs. Ich erstarre in Ehrfurcht, ob der sich auftuenden Chance: „Wollen wir’s wagen? Ich weiß allerdings nicht, was uns heute da oben erwartet. Es kann sein, dass wir nicht so weit nach oben kommen, wie geplant. Es ist jetzt Ihre Entscheidung. Über allem steht „safety first“. Aber wenn wir jetzt fliegen, gibt es kein „money refund“, wenn nicht alle geplanten Teile dieser Privat-Buchung aus Sicherheitsgründen durchgeführt werden können“. Wie war das noch mit meinem Lebensmotto? No risk, no fun! Also ab dafür!
Ich nehme es gleich vorweg. Es hat alles, aber auch alles wie am Schnürchen funktioniert. Weil Nebel und Smog sich in Kathmandu gegen zehn in der Früh verzogen, weil ich mich selbst nicht übergeben musste, als nach Zwischenstopp in Lukla die heftigen Winde rund um Kala Patthar in 5643 Meter Höhe den Heli wie eine Feder hin und her schaukelten und sich bei mir nicht nur Gänsehaut-Feeling, sondern auch „Schüttelfrost“ einstellte. Die Landung war eine Meisterleistung meines Piloten, der mir im Nachhinein versicherte, dass außer mir an diesem Tag kein anderer der bei anderen Heli-Firmen gebuchten Passagiere den Fuß auf „Himalaya-Boden“ hat setzen dürfen und können. Es wäre meiner Privat-Buchung geschuldet. Eine Gruppe hätte er an diesem Tag hoch oben in Kala Patthar nicht abgesetzt. Wow, captain! Thanks captain!
Ja, und dann war ich dem Himmel so nah, und doch zu klein und nichtig, um der Himmelspforte die Hand zu strecken. Hier, im Himalaya, zeigt sich, wie groß die Natur und wie klein der Mensch ist.
Wie groß wird da erst die Leistung eines Reinhold Messner beim Anblick des Himalaya-Massivs aus dem Helikopter oder von Kala Patthar aus, wo der Heli mich für nur ganze 5 Minuten absetzt, weil durch den unterschiedlichen Luftdruck und die dünne Luft das Atmen sichtlich und spürbar schwer fällt.
Ich japse in 5.643 Meter Höhe wie eine Kaulquappe, finde aber natürlich die Zeit, mich überwältigt und begeistert zu fühlen und das ganze fotografisch festzuhalten. Reinhold Messner, der Südtiroler „Urwuchs Yeti“, hat als erster Mensch alle 14 Achttausender und als erster und alleine ohne Sauerstoff den Mount Everest (8848 Meter hoch) bestiegen. Mein Gott Reinhold, was bin ich doch für ein kleiner Wicht! Ich habe mir nur einen Traum erfüllt, RM hat sich mehrfach selbst besiegt und gewonnen.
Wer nach Nepal fliegt, darf sich aber nicht nur an der „Geilheit der Berge“ erfreuen. Nach Ankunft auf dem Tribhuvan International Airport von Katmandu/Nepal wurde mir aber schnell klar, warum ich für eine Fahrt in einem klapprigen, seit gefühlt zwanzig Jahren ungewaschenen Taxi über eine Stunde vom Airport bis meinem nur 6 Kilometer entfernten Hotel Yak&Yeti brauche.
Angesichts der stetig steigenden Anzahl von Fahrzeugen im Privatbesitz – ich frage mich, woher das Geld stammt – bricht der Verkehr in den Stoßzeiten, die allerdings ganztags anhalten, in Kathmandu regelmäßig zusammen. Hätten sie wenigstens noch den „Bengal-Tiger“ aus dem benachbarten indischen Subkontinent im Tank, würden sich Luftverschmutzung und Smog ja noch in Grenzen halten. Aber was hier aus dem Auspuff kommt, lässt dich den Atem anhalten. Kein Wunder, dass Kathmandu zu den Städten mit der weltweit höchsten Luftverschmutzung zähl. All das mutet als aberwitzig, wenn man bedenkt, dass landesweit das wichtigste Fortbewegungsmittel nach wie vor die eigenen Füße sind.
Wer hier jetzt geschichtliches, historisches, soziografisches oder politisches über Kathmandu und Nepal erfahren will, sollte sich Wikipedia und die darin zahlreich enthaltenen Buchtipps unter https://de.wikipedia.org/wiki/Nepal einverleiben. Die können das besser als ich. Ich brauche für das interessante, aber auch „staubtrockene“ Zahlen- und Infomaterial zu viel „local beer“, ehe ich alles verstehe bzw. verstehen will. Mein Bestreben ist es, den IST-Zustand meines Besuches so objektiv wie möglich und so subjektiv wie nötig in Worten, vielmehr aber noch in Bildern wiederzugeben. Halt wie es meinem Eindruck entspricht!
Ein bisschen „Staatskunde Nepal á la Huppi“ unterstreicht jedoch erneut die Tatsache, dass glücklich sein kann der, der in eine andere Welt hinein geboren wurde. Das wenige „über Standard“ in Nepal darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Land zu den ärmsten unseres Planeten zählt. Und das ist mir auf Schritt und Tritt sichtbar geworden. Hier lebt nicht nur die Armut, hier wird sie praktiziert.
Mehr als die Hälfte der ca. 30 Millionen Nepalesen sind Analphabeten.Ca. 40% der Gesamtbevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Das durchschnittliche Monatseinkommen beträgt 18 Euro. Ausnahmen, und die gibt es natürlich auch in Nepal – Stichwort Korruption und Machtmissbrauch – bestätigen einmal mehr die Regel. Zum Vergleich: Ein leckeres „local beer“ mit 675 ml kostet zwischen 600 – 900 Rupies. Bei 125 Rupien für 1 Euro entspricht dies Euro 4,80 bis 7,20. Mit (nur) 50 Millionen USD bringt der Tourismus ca. 30 % aller Devisen ins Land.
Korruption und Misswirtschaft bei Polizei und Staatsgewalt geißeln noch täglich das wegen seiner Lage als Binnenstaat zusätzlich hart geprüfte Land. Hier ist (fast) alles möglich, wenn die aufgehaltene Hand „gefüttert“ wird. Und die Hand geht oft auf. Ich kann ein Lied davon singen.
Nepal ist ethnisch und kulturell ein „Minoritäten-Mosaik“ mit über 100 verschiedenen ethnischen Gruppen sowie 124 verschiedenen Sprachen und Dialekten, die meisten vom Aussterben bedroht. Sag einfach immer und überall NAMASTE und Du bist willkommen. Ich bin damit gut gefahren.
Der Hinduismus hat den größten religiösen Anteil, gefolgt von den Buddhisten. Und ja, Buddha wurde der Überlieferung nach in Nepal geboren. Der Nepalese selber begegnet mir höflich, freundlich, aber auch skeptisch und argwöhnisch. Wie es in den Wald hineinruft,…… ! Am Ende waren wir die besten Freunde!
Leider ist die Diskriminierung und Ausbeutung von Minderheiten heute noch, trotz eigentlichem Schutz durch die Verfassung, weitverbreitet. So schätzen Menschenrechtsorganisationen, dass jährlich bis zu 20.000 nepalesische Mädchen zwischen 8 und 18 Jahren „verkauft“ werden und überwiegend in dreckigen und stinkig, stickigen Bordellen im benachbarten Indien oder sonst wo und sonst wie im Sex-Gewerbe landen. Eine unfassbare Zahl, die wütend macht. Die Gier nach Geld sprengt hier jede Vorstellungskraft.
Bei dem verheerenden Erdbeben vom 25.4.2015 und seinen zahlreichen Nachbeben mit seinem Epizentrum 80 Kilometer nordwestlich von Kathmandu sind nach offiziellen Angaben über 8650 Tote zu beklagen gewesen. Diese Zahl ist jedoch in der nepalesischen Bevölkerung heftig umstritten. In Gesprächen mit Journalistenkollegen, Travel-Agenturen, Hotelmanagern, Shop-Besitzern und dem Menschen auf den Straßen wird mir mit viel Vehemenz klargemacht, dass das Leid viel größer war und immer noch ist. Die Rede ist von mehr als 15.800 Toten. Warum diese Diskrepanz, will ich wissen? „ Weil die offiziellen Stellen die bis heute vermissten und nicht geborgenen Toten einfach nicht mitgezählt haben“, lässt mich Bharat Sapkota, mein genialer, privater Travel-Guide und Inhaber der Agentur Breakfree Adventures Pvt. Ltd. mehrfach wissen, nachdem er mir hilfreich mit Übersetzungen die Meinung der Bevölkerung kundgetan hat.
Herausragend sind jedoch die historischen Stätten in Kathmandu und Umgebung. Teils unversehrt, teils noch immer beschädigt, teils wieder im Aufbau. Ich habe alle fünf wichtigen, von der Unesco als Weltkulturerbe eingestuften, teils heiligen Stätte intensiv besucht und „begangen“, deren Einzigartigkeit, Authentizität und Integrität weltbedeutend sind.
Den Affentempel Swayambhu (kein Scherz: mit eigenem Schwimmbad für die zu Hunderten dort friedlich und freundlich „wohnenden“ Affen), den quirligen Kathmandu Durbar Square mit KUMARI – The Living Goodess, den ebenso ehrfürchtigen Patan Durbar Square in Patan, der Zwillingsstadt von Kathmandu, die Hindu-Begegnungsstätte Pashupatnath, wo ich als Nicht-Hindu zwar keinen Zugang zum Innersten des Tempels hatte (das Mekka der Hindus), wo ich aber sehr ergriffen und nachdenklich mehreren Einäscherungszeremonien beiwohnen durfte, die dort im Stundentakt abgehalten werden. Hier wird Dir im Qualm der verbrannten Körper schnell bewusst, wie vergänglich wir doch sind. Höhepunkt und Anlaufziel für alle, die nach Nepal kommen, ist aber die Stupa Boudhanath, deren kreisrunde Anlage besticht und deren „Augen des Buddha“ jeden Besucher in ihren Bann ziehen.
Und dann war da noch ein Höhepunkt, ohne dass ich gleich geahnt habe, dass es ein solcher war. Ich hatte das seltene Glück, für ca. 60 Sekunden die aktuelle KUMARI – The Living Goodess, die lebendige Göttin, zu sehen, die mir lächelnd zuwinkte. Ein drei Jahre altes Kind, welches behütet, beschützt und abgeschirmt innerhalb der historischen Stätte „Kathmandu Durbar Square“ lebt. Fotografieren und Ansprechen unter Androhung von Gefängnis strengstens verboten. Es führt zu weit, hier den Sinn des Ganzen zu erklären. Eine andere Kultur, die ich so nicht fassen, begreifen und im Moment nicht verstehen kann, aber akzeptieren muss. Bitte bei näherem Interesse nachlesen unter https://de.wikipedia.org/wiki/Kumari
Es war anstrengend, es war kalt in den Bergen, es hat mir den Atem geraubt. Aber es war mir ein Vergnügen. Bergluft macht hungrig. Hungrig auf mehr! Also vielleicht im nächsten Jahr Bhutan oder Tibet? Gleich nebenan von Nepal. Warum nicht?!
Gerd Huppertz